- Offizieller Beitrag
In ihrem Kampf um die Gunst der Kunden entwickelt die Uhrenbranche immer aufs Neue technische Innovationen. Darunter ist vieles, was gegenüber den Grundfunktionen einer Uhr als feine Kompliktion bezeichnet wird. Für Kenner sind Flyback, Mondphase, Repetition, ewiger Kalender wichtiger als das bloße Ablesen der Zeit.
Für den eher funktional orientierten Puristen hingegen stellt sich die Frage, wie es bei derart preistreibenden barocken Beiwerk eigentlich um die Grundtugenden einer modernen Uhr bestellt ist. Für ihn stehen vor allem Ganggenauigkeit, gute Ablesbarkeit, Gangreserve im Vordergrund. Dabei scheint in der modernen elektrifizierten und vernetzten Welt ein Grundübel der mechanischen Uhr besonders zu schaden. Die Rede ist vom Magnetismus oder modern ausgesdrückt Elektrosmog. Die Firma Sinn förderte in einer Studie zu Tage, dass von 1.000 untersuchten Uhren in der eigenen Werkstatt gut 60 % mehr oder weniger stark magnetisiert waren. Eine durch äußere Einflüsse magnetisierte Uhr kann in ihrem Gangverhalten erheblich gestört werden. Ungenauigkeit oder gar Stillstand sind die Folge.
Die übliche technische Methode, Zeitmesser vor starker magnetischer Strahlung zu schützen, ist ein Weicheisenkäfig, welcher das Werk komplett umschließt. Dadurch werden die magnetischen Wellen umgeleitet. Schon früh wurde diese Methode vor allem bei militärischen Uhren wie der IWC Mark 11, einer klassichen Navigationsuhr, eingesetzt. Ungenauigkeit konnte bei der Air Force fatale Folgen haben und zu erheblichen Navigationsfehlern führen. Das galt es zu vermeiden. Doch auch die Zielgruppe der Ingenieure und (elektrifizierten ) Eisenbahner wurden von den
führenden Herstellern schon bald mit magnetfeldgeschützten Armbanduhren bedient. So entstanden die Klassiker Omega Railmaster, IWC Ingenieur oder Rolex Milgauss. Neben dem Weicheisenkäfig gibt es aber auch eine weitere Methode, Uhren zu schützen. Man verwendete Materialien, die sich ihrerseits nicht oder nur in geringem Masse magnetisieren lassen. Auch hier war wieder das Militär Vorreiter. Mit der IWC Ocean AMAG erhielt die Bundeswehr eine voll antimagnetische Taucheruhr, deren Werk allerdings aufgrund der Verwendung von Messing nur eine geringe Lebensdauer hatte. Messing ist einfach zu weich und verschleißt dadurch schnell. Erst Omega gelang es, mit der Einführung der Liquid Metall Technologie 2013 das Problem praktisch zu lösen, was einer Revolution gleich kommt. Mit den neuen Seamastermodellen führte man eine bis 15.000 Gauss antimagnetische Uhr mit Glasboden ein. Diese Kombination war bis dato undenkbar, da man sich als Kunde stets zwischen transparenter Werkästhetik und geschlossenem abgeschirmten Gehäuse entscheiden musste.
Die allgemeine Antwort der Branche auf Magnetismus ist die DIN 8309, welche einen Schutz gegen eine Feldstärke von 4.800 A/m (6 mTeslar) oder übertragen in Flussdichte 60 Gauss gewährleistet. Nach einer solchen Konfrontation sollte die Uhr gemäß DIN nicht mehr als 30 Sekunden pro Tag abweichen. Doch wie sieht es eigentlich im realen Alltag aus mit diesem Standardschutz ? Reicht die bloße DIN aus, die Umwelteinflüsse von
der teuren mechanischen Uhr fernzuhalten ? Man muss kein Physiker sein, um die nachfolgenden Ausführungen zu verstehen. Und so habe ich einfach nachgemessen. Gemessen wurde in mG (Milligauss) jeweils direkt am Objekt. Der höchste Messwert wurde gewählt.
Fön: 183 mG = 0,183 Gauss
Hifi-Boxen: 190 mG = 0,19 Gauss
Induktionsherd: 260 mG = 0,26 Gauss
Laptop: 162 mG = 0,162 Gauss
Röhrenfernseher: 220 mG = 0,22 Gauss
Smartphone: 15 mG = 0,015 Gauss
Staubsauger: 160 mG = 0,16 Gauss
Toaster: 13 mG = 0,013 Gauss
Wasserkocher: 42 mG = 0,042 Gauss
Wie man unschwer erkennen kann, bringen die erzielt Messwerte Uhren nach der DIN Norm nicht in Schwierigkeiten, obwohl einige Werte schon als gesundheitsschädigend einzustufen sind. Aber selbst das Induktionskochfeld liegt weiter unter der für Uhren zulässigen magnetischen Flussdichte von 60 Gauss. Die Frage, warum laut Sinn-Studie viele Uhren so stark magnetisiert sind, lässt sich damit aber nicht beantworten. Entscheidend dürfte vor allem die magnetische Resistenz im Bereich der Unruh sein. Hier werden ja als Grundschutz antimagnetische Teile verwendet, die den Hauptanteil an der antimagnetischen Wirkung der Uhr haben. Vielleicht wäre es sinnvoll, bei Sinn nachzufragen, welche Auswirkungen die festgestellte Magnetisierung auf das Gangverhalten hatte.
Gruß,
Walter